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Kirchenfenster Herz Jesu

© privat

Villenviertel

Herz Jesu Kirche



Durch Hauptportal und Seiteneingänge gelangt man unmittelbar zur baulichen Keimzelle des 1906 errichteten Gotteshauses.
Ein bewegtes, baugeschichtliches Vorleben sowie von Anbeginn bemerkenswert engagierte Gemeindeaktivitäten hinterlassen hier sichtbare Spuren.

 

Die Anfänge

Zu Beginn des vorausgehenden Jahrhunderts bilden Katholiken im Villenviertel eine ausgesprochene Minderheit. Um den rund 700 ansässigen Gläubigen den weiten Weg zu St. Marien oder St. Andreas zu ersparen, macht sich bereits um die Jahrhundertwende der seinerzeitige Pfarrer von Plittersdorf, Dr. Brüll für die Errichtung einer villenvierteleigenen Kirche stark. Dessen Nachfolger, Pfarr-Rektor Ludwig Leonards gelingt es schließlich im Jahr 1905 mit erzbischöflicher Genehmigung ein ca. 4 Ar messendes Grundstück zwischen Augusta-Viktoriastrasse (heutige Beethovenallee) und Denglerstrasse ausfindig zu machen.  Realisiert wird der, sich auf  80. 000 Mark belaufende Ankauf größtenteils mit Gemeindespenden.

Die neugotische Ur- und Notkirche
Ein schlichtes Bauwerk des Diözesanbaumeisters Heinrich Renard

Um das Bauprojekt pekuniär abzusichern gründet sich ein, bald 70 Mitglieder zählender Bauverein, der  aus Kostengründen zunächst
ein Kirchenprovisorium
ins Auge fasst. Für den Bau der „Notkirche“ ausgewählt wird ein Entwurf von Diözesan-Baumeister Heinrich Renard. Grundsteinlegung und Spatenstichpremiere der auf 18. 000 Mark veranschlagten Baumassnahme erfolgen am 24. September 1905. Eingesegnet wird das ursprünglich als St. Elisabeth Kirche angedachte, neugotisch geprägte Miniaturgotteshaus am 8.Oktober 1906 durch Dechant Hütten von Mehlem.
Gleichzeitig wird – und das ist der Auftakt eines lebendigen Gemeindemusiklebens - unter Regie von Küster und Organist Max Anschütz vor Ort der erste Kirchenchor gegründet. Auch dessen baldiger Nachfolger der zwanzigjährige Organist Martin Kreimeyer muss noch mit einer geliehenen Hilfsorgel vorlieb nehmen (Mietpreis 60 Mark), die allerdings im März 1908, dank einer Spende, ersetzt wird durch eine neue Klais-Orgel. Dank einer ebenfalls großherzigen Spende erhält die Ursprungskirche eine zweite Glocke.

Gründung einer autonomen Pfarrgemeinde

Nächstes Ziel der engagierten Gemeinde ist die Selbständigkeit des, der Pfarre St. Marien unterstehenden Herz-Jesu-Rektorats. Die erzbischöflich anerkannte Erhebung zur autonomen Pfarre findet schlussendlich am 24. Juli 1914 in der Ägide (1913 – 1921) von Pfarr-Rektor und Pfarrer Hugo Liedmann statt. Getrübt wird das Freudenfest durch hereinbrechende Kriegswirren.

 

Zweite Bauphase:
Geniale Ideen von Architekt Jakob Stumpf: markante Erweiterungen des Ursprungsbaus,
straffe Eleganz mit Bauhausprägung, Konzentration auf die innere Mitte des Kirchenraums

Der stetige Zuwachs an katholischen Gläubigen im Villenviertel (1932 sind es 1751 Pfarrgemeindemitglieder) mündet in die Notwendigkeit, die Stammkirche maßgeblich zu erweitern. Helle und einhellige Begeisterung beim Kirchenvorstand entfacht ein raffinierter Plan des Bonner Architekten Jakob Stumpf. In dieser überzeugenden, auf 46.000 Reichsmark geschätzten Lösung wandelt sich die Urkirche zum Querschiff des 1936 beginnenden, neuen Kirchenbaus.

So kann man bis heute, beispielsweise anhand von Gewölbestrukturen und makellos erhaltenem Chorraum (rechter Hand im Eingangsbereich, Außenansicht der Südseite) die ursprüngliche Architektur und Anlage der Herz Jesu Stammkirche in Augenschein nehmen.

Das neue Erscheinungsbild des nunmehr vierschiffigen Gotteshauses beruht im wesentlichen auf symmetrischen Erweiterungen der Baukeimzelle sowie auf Anfügungen neuer Elemente wie etwa: blockförmige Türme, Vorhalle, Hauptportal, Langhaus und Seitennischen. Die von Architekt Stumpf veranlassten, einschneidenden Veränderungen der Kirchengestalt weisen  Parallelen (kubische Formsetzungen) auf zum, im Villenviertel durchaus präsenten Bauhausstil.
Das Ambiente des Kircheninneren, so beschließt man seinerzeit, sollte ebenfalls Sachlichkeit und klare Linien an den Tag legen. Als Orientierungspunkt sollte etwa am Hochaltar einzig ein von heimischer Künstlerhand modelliertes Kruzifix dominieren. Dieses monumentale und theatralisch wirkende Kunstwerk erinnert auf intensive Weise daran, dass „das Opfer unserer Altäre eins ist mit dem Opfer von Golgatha“ (Helmut Manseck: Kleine Pfarrchronik, 1989).

 

Dritte Bauepisode:
Das Wirken von Architekt Peter Rieck: Glättung von Gegensätzen, Streben nach Harmonie

Ihre baulich jüngsten Metamorphosen erfährt die Herz Jesu Kirche durch den bereits in der Nachkriegszeit eingeschalteten Architekten Peter Rieck. Dessen von 1947 an greifende Veränderungsmaßnahmen (diese fallen in die legendäre Ära von Oberpfarrer Wilhelm Hens) sind im wesentlichen Korrekturen, die das zuvor stilistisch heterogene und zerklüftete Gesamtbild ausgleichen. Einen Schwerpunkt bildet dabei die Absicht, dem Kircheninnenraum Homogenität zu verleihen. Hergestellt wird darüber hinaus ein ausgewogener Dialog zwischen architektonischen, dunkel abgesetzte Innenraumstrukturen (Kapitelle, Gewölberippen) und insgesamt dezenter, gleichwohl lichtbetonter Ausmalung.

 

Neuere Highlights der Kirchengeschichte

Zum Patronatsfest am 26. Juni 1960 übergibt die Malerin Meta Maria Driever dem Gotteshaus an der Beethovenstrasse eine Komposition, in die sie sich monatelang Hineingekniet hat. Ihre expressiven diktierten, zu Meditationen anleitenden Kreuzwegstationen, etliche Heiligenfiguren (farbige Marienskulptur, stattliche Holzstatue des jungen St. Josef mit Jesuskind, St. Antoniusholzplastik etwa) und nicht zuletzt die zum 100. Kirchenbestehen restaurierte Herz Jesu Statue gehören zu den weiteren Sehenswürdigkeiten eines auffallend stimmigen und überaus gepflegten Gotteshauses.
Im Jahr 1962 ermöglichen üppige Gemeindespenden ein weiteres Ereignis. Nach langer Bauzeit liefert die Ludwigshafener Orgelbaufirma E. F. Walcker & Cie. die sehnsüchtig erwartete mechanische Schleifladenorgel. Drei Manuale und 29 Register entfalten am dritten Adventsonntag 1962 in Soli von Domorganist Professor Zimmermann ihr fesselndes Klangkaleidoskop.
Unvergesslich in der Erinnerung haften bleibt die atemberaubende 100. Jubiläumsfeier der Kirche Herz Jesu. Von hundert Ministranten, hundert bunten Luftballons begleitet hält der Kölner Kardinal Joachim Meisner Einzug ins Villenviertel. Ein überaus feierliches Pontifikalamt in Anwesenheit von Hundertschaften von Gläubigen krönt die bisherige Geschichte von Herz Jesu.

Dynamische Umgestaltungs- und Erneuerungsprozesse setzen sich fort, in der ebenfalls am 16. September erfolgenden erzbischöflichen Einsegnung des von der Bürgerstiftung Rheinviertel und unzähligen, ehrenamtlichen Tatkräftigen quasi aus dem Boden der angrenzenden Hensstrasse gestampften Klosters Herz Jesu. Der seit November 2004 wirkende Pfarrer Dr. Wolfgang Picken, Gründer des Pilotprojektes Bürgerstiftung Rheinviertel glänzt durch eine nahtlose Kette von innovativen Inspirationen, die, unter dem Stichwort „Gemeinde im Aufbruch“ Kirchen- und Gemeindeleben von ursprünglich fünf separaten Kirchengemeinden grundlegend verändern.

 

Text: Christina zu Mecklenburg
Bonn, Herbst 2006

 


Bilder: © privat